"Die wichtigste Kundgebung für das Frauenwahlrecht, welche die Geschichte bis heute verzeichnen kann!"
"Unser Märzentag" – So ist der Aufruf überschrieben, der 1911 an die Frauen appellierte, sich aktiv am ersten Frauentag zu beteiligen. Der Aufruf ging von der SPD und den freien Gewerkschaften aus.
"Die sozialistischen Frauen aller Länder fühlen sich mit euch solidarisch. Der 19. März muß euer Ehrentag sein." Dieses Datum wurde gewählt, um an Ereignisse während der Revolution von 1848 in Berlin zu erinnern. Später sollte es der 8. März werden.
Die Anregungen für den Frauentag gehen auf Frauendemonstrationen in den USA seit 1858 zurück. Die Amerikanerinnen begingen bereits am 20. Februar 1909 einen nationalen Frauentag.
"Dieser Internationale Frauentag ist die wichtigste Kundgebung für das Frauenwahlrecht gewesen, welche die Geschichte bis heute verzeichnen kann!", schrieb die deutsche Sozialistin Clara Zetkin am 8. März 1911 über die weltweite Frauendemonstration. Durch ihre Initiative fand der erste Internationale Frauentag am 19. März 1911 in Deutschland, Dänemark, Österreich, der Schweiz und den USA statt. Millionen von Frauen beteiligten sich.
Zentrale Forderungen waren zum Beispiel das Wahl- und Stimmrecht, die Einführung des Acht-Stunden-Arbeitstages, ausreichender Mutter- und Kinderschutz, die Festsetzung von Mindestlöhnen und gleicher Lohn bei gleicher Arbeitsleistung.
1912 schließen sich die Frauen in Frankreich, den Niederlanden und Schweden an, 1913 auch die russischen Frauen.
Das Frauenwahlrecht steht bis 1918 im Mittelpunkt und kann im November von aktiven Frauen in Deutschland erstritten werden. Erst im Jahr 1921 wurde bei einer großen sozialistischen Frauenkonferenz als festes Datum der 8. März festgelegt. Damit sollte an den Textilarbeiterinnen-Streik in Petersburg erinnert werden, der auf andere Sektoren übergriff und eine große Demonstration auslöste. Die Kämpfe fanden am 8. März 1917 – nach altem russischen Kalender am 23. Februar – statt und waren der Beginn der "Februarrevolution" in Russland.
In den "Zwischenkriegsjahren" waren die zentralen Themen am 8. März zum einen der legale Schwangerschaftsabbruch sowie der Schwangeren- und Mutterschutz. Es enstand eine Massenbewegung, denn die europaweite Wirtschaftskrise zwang jährlich über eine Million Frauen, abzutreiben; rund 44 000 Frauen starben in Deutschland 1931 an den Folgen der illegalen Abtreibungen. Andere wichtige Frauenthemen dieser Zeit hingen mit der Existenzsicherung zusammen: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnkürzung, Senkung der Lebensmittelpreise und Schulspeisung. Forderungen, die uns auch heute nicht unbekannt sind.
Während der faschistischen Diktatur der Nationalsozialisten unter Hitler wurden bereits im Frühjahr 1933 alle Frauenorganisationen und ihre Presseorgane verboten oder gleichgeschaltet. Als der Reichstag am 27. Februar in Flammen steht, nehmen die Nazis die ungeklärte Brandstiftung als Vorwand, um einen Terrorzug gegen alle antifaschistischen Gruppierungen zu beginnen – so auch gegen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter. Der Frauentag kann nicht mehr durchgeführt werden und der Muttertag wird zum offiziellen Feiertag – die Frau wird auf ihre Gebärfunktion ihre Rolle als Ehefrau und Mutter reduziert. In der Illegalität begehen viele Frauen trotzdem den 8. März, oft getarnt als Familienfeier. Der Internationale Frauentag wird für die Antifaschistische Bewegung zum Kampftag gegen die Nazidiktatur und für den Frieden.
"In den meisten Arbeiterfamilien vermochte sich der Muttertag auch nach 1933 nicht durchzusetzen, erst recht nicht der ihn durchdringende faschistische Geist."
"Die Idee des 8. März hingegen bliebt unter diesen lebendig, auch wenn der Frauentag nur illegal im vertrauten Kreis gepflegt werden konnte und es nicht mehr möglich war, dafür auf offener Straße zu demonstrieren oder Frauentagsveranstaltungen durchzuführen. Immer wieder mussten die faschistischen Behörden feststellen, dass illegale Flugblätter verteilt oder – wie zum Beispiel 1936 und 1937 an Berliner S-Bahn-Stationen – Flugzettel an Mauern geklebt wurden, die an den Internationalen Frauentag erinnerten und zum Kampf gegen die Nazis aufforderten." (Siegfried Scholze: Der Internationale Frauentag einst und heute, trafo Verlag, 2001)
Nach dem zweiten Weltkrieg fand bereits 1946 in der sowjetischen Besatzungszone der Frauentag wieder statt. Offiziell gefeiert wurde die gesellschaftliche Befreiung der Frau. In Westdeutschland wurde der Frauentag erst in den späten 60er Jahren von der neuen autonomen Frauenbewegung wieder belebt.
Der 8. März wurde zur Plattform für Themen wie die Rechte von Ausländerinnen, Respekt vor nichtheterosexuellen Lebensweisen und die bessere Sicherung der Frauenrechte in der europäischen Annäherung. Ein Höhepunkt der Bewegung war 1994 der FrauenStreikTag, bei dem sich mehr als eine Million Frauen bundesweit gegen Diskriminierung engagierten.
Der vorliegende Text und die Zitate wurden 2003 von Daniela Suttner zusammengestellt.
1789 – 1793: Während der Französischen Revolution bilden sich erste Frauenclubs. Volle Bürgerrechte für Frauen und die Gleichstellung von Mann und Frau werden von ihnen gefordert.
1865: Der "Allgemeine Deutsche Frauenverein" wird u. a. durch Luise Otto-Peters in Leipzig gegründet. Dort findet auch die erste Frauenkonferenz statt.
1870: Erstmals in der Geschichte ist es Frauen erlaubt zu wählen – am 06. September im US-Bundesstaat Wyoming.
1889: Am 19. Mai gründet sich die einzige deutsche Frauengewerkschaft, der „Verband weiblicher Angestellter e. V.“
1908: Das neue Reichsgesetz lässt Frauen zu politischen Vereinen zu.
1910: Clara Zetkin gründet den Internationalen Frauentag.
1911: Am 19. März wird in Deutschland zum ersten Mal der Internationale Frauentag gefeiert.
1918: Frauen erhalten am 30. November das aktive und passive Wahlrecht. In der Weimarer Verfassung vom 01.08.1919 wird in Art. 109, Abs.2 verankert: "Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten."
1933 – 1945: Das passive Wahlrecht wird den Frauen wieder entzogen, genauso wie die Möglichkeit der Zulassung zur Habilitation an Hochschulen und Universitäten. Frauen erhalten Verbote, bestimmte Berufe zu ergreifen.
1949: Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wird verkündet und die Gleichberechtigung von Frau und Mann wird in Art. 3, Abs. 2 geregelt.
1957: Frauen dürfen ohne Zustimmung ihres Ehemannes ein eigenes Konto eröffnen.
1961: Elisabeth Schwarzhaupt wird erste weibliche Bundesministerin in der BRD.
1972: Zum ersten Mal wird in der BRD eine Frau Bundestagspräsidentin: Annemarie Renger.
1975: In Mexiko findet die erste UN-Weltfrauenkonferenz statt.
1976: In Westberlin wird das erste autonome Frauenhaus eröffnet.
1977: Das Ehe- und Familienrecht wird umfassend reformiert und Frauen können nun ohne Einverständnis ihres Ehemannes berufstätig sein.
1994: Am "Frauen-Streik-Tag" protestieren bundesweit mehr als eine Million Frauen gegen Diskriminierung.
1994: Das zweite Gleichberechtigungsgesetz tritt in Kraft – fortan müssen sich Stellenausschreibungen bzw. -angebote explizit auch an Frauen richten.
1997: Am 15. Mai beschließt der Deutsche Bundestag, Vergewaltigungen in der Ehe fortan als Verbrechen zu bewerten (Gesetz zur Gewalt in der Ehe: §177 StGB).
2000: Aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes dürfen Frauen Dienst an der Waffe leisten – das Grundgesetz der BRD wird dahingehend geändert.
2001: In der Satzung der ver.di wird festgeschrieben, dass Frauen in allen Organen, Beschlussgremien und bei Delegiertenwahlen mindestens entsprechend ihres Anteils vertreten sein müssen.
2005: Angela Merkel wird die erste Bundeskanzlerin in Deutschland.
2006: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) tritt in Kraft.
2007: Das neue Elternzeitgesetz tritt in Kraft, was zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft beiträgt und die Rollenverteilung in Familien flexibler gestaltet.
2007: Das Bundeskabinett beschließt den „Zweiten Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“, um Frauen in allen Lebensbereichen nachhaltig vor Gewalt zu schützen.
2011: Die EU verabschiedet ein verbindliches Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention).
2011: Der erste Gleichstellungsbericht zur Umsetzung des Gender Mainstreamings der Bundesregierung wird unter dem Titel „Neue Wege - gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf“ beschlossen.
2014: Im Zuge einer Rentenreform wird die Mütterrente eingeführt, welche die rentenrechtliche Anerkennung von Kindererziehungszeiten erhöht.
2015: Das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst tritt in Kraft.
2016: Eine Verschärfung des Sexualstrafrechts zur Bestrafung sexueller Nötigungen und Vergewaltigungen nach dem Grundsatz „Nein heißt Nein“ triff in Kraft.
2017: Der Hashtag #MeToo wird millionenfach genutzt und macht in der öffentlichen Debatte auf das Ausmaß sexueller Übergriffe und Belästigungen aufmerksam.
2017: Das Entgelttransparenzgesetz wird verabschiedet, welches Frauen dabei unterstützen soll, ihren Anspruch auf gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit besser durchzusetzen zu können.
2017: Der zweite Gleichstellungsbericht der Bundesregierung zur Umsetzung des Gender Mainstreamings wird mit dem Titel „Erwerbs- und Sorgearbeit gemeinsam neu gestalten“ veröffentlicht.
2017: Bei der Bundestagswahl 2017 zieht die rechtspopulistische AfD erstmals in den deutschen Bundestag ein – unter ihren Wähler*innen ist nur knapp ein Drittel weiblich. Der in Deutschland und in der EU einsetzende Rechtsruck stellt eine reale Gefahr für die Umsetzung von Gleichstellungspolitiken dar.
2019: Der von Clara Zetkin gegründete „Internationale Frauentag“ wird ein gesetzlicher Feiertag in Berlin (8.März).
2019: Brandenburg beschließt als erstes Bundesland ein Paritätsgesetz, das Parteien dazu verpflichtet, bei Wahlen quotierte Listen zu vergeben.
2020: Deutschland verabschiedet ein Gesetz zur Bekämpfung von „Upskirting“, welches das unerlaubte Fotografieren unter den Rock strafbar macht.
2020: Die mit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie einhergehenden Krise verschärft Ungleichheiten und Gefahren für Frauen weltweit. In Deutschland lässt sich im Zuge der Krise u. a. eine Retraditionalisierung der Geschlechterrollen beobachten und es kommt zu einem Anstieg der Fälle häuslicher Gewalt.
2021: Der dritte Gleichstellungsbericht der Bundesregierung zur Umsetzung des Gender Mainstreamings wird unter dem Titel „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ veröffentlicht.
2021: Das Bundeskriminalamt veröffentlicht eine Statistik zu Femiziden und Gewalt gegen Frauen, aus der hervorgeht, dass allein im Jahr 2021 insgesamt 113 Femizide begangen wurden. Mindestens 143.000 Frauen haben im selben Jahr Partnerschaftsgewalt erlebt – die Dunkelziffer dürfte noch um einiges höher sein.
2022: Der Bundestag beschließt die ersatzlose Streichung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche §219a (StGB). Mit der Aufhebung des §219a ist es Ärzt*innen künftig erlaubt, über die Möglichkeiten und Methoden von Schwangerschaftsabbrüchen zu informieren.
2023: Sachverständigenkommission und Geschäftsstelle des vierten Gleichstellungsberichts mit dem Titel „Gleichstellung in der ökologischen Transformation“ nehmen ihre Arbeit auf.
2024: Die Bundesregierung beschließt eine Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, um den Schutz von Schwangeren vor Beratungsstellen und Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, sicherzustellen (sog. Gehsteigbelästigungen).