Gleichstellung

Frauen haben im Job aufgeholt

WSI-Bericht der Hans-Böckler-Stiftung beleuchtet 29 Indikatoren zur Gleichstellung.
02.04.2020

 


In puncto Bildung, Erwerbstätigkeit und soziale Absicherung konnten Frauen in den vergangenen Jahren aufholen. Dennoch liegen sie nach wie vor oft hinter ihren männlichen Kollegen.

Zur Verbesserung der Situation von Frauen haben auch bessere gesellschaftliche Rahmenbedingungen beigetragen, beispielsweise der Ausbau öffentlicher Kinderbetreuung. Doch auch wenn die Abstände vielfach kleiner geworden sind, ist die durchschnittliche berufliche, wirtschaftliche und soziale Situation von Frauen weiterhin oft schlechter als die von Männern.

Wo es Fortschritte gegeben hat und wo nicht, beleuchtet anhand von 29 Indikatoren und aktueller Daten ein neuer Report zum Stand der Gleichstellung, den das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung vorgelegt hat.

Die Auswertung im Vorfeld des internationalen Frauentags zeigt: Bei schulischer und beruflicher Qualifikation haben Frauen weitgehend mit den Männern gleichgezogen. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen liegt aktuell um knapp acht Prozentpunkte niedriger – vor knapp 30 Jahren war die Differenz noch fast dreimal so groß.

Ein wesentlicher Grund für fortbestehende Unterschiede ist die ungleiche Aufteilung der unbezahlten Sorgearbeit, etwa bei familiärer Kinderbetreuung, Pflege oder Haushalt (Gender Care Gap): Bei Frauen macht unbezahlte Arbeit nach den neuesten verfügbaren Zahlen 45 Prozent an der Gesamtarbeitszeit aus. Bei Männern sind es hingegen nur 28 Prozent, auch wenn Männer zum Beispiel bei der Pflege langsam mehr Aufgaben übernehmen.

Um Familie und Erwerbsarbeit unter einen Hut zu bringen, arbeiten Frauen gut viermal so häufig in Teilzeit wie Männer (46 Prozent gegenüber gut elf Prozent in 2018), von den Beschäftigten, die ausschließlich einen Minijob haben, sind 62 Prozent weiblich. Dieses Ungleichgewicht trägt, unter anderem wegen geringerer Karrieremöglichkeiten, wesentlich dazu bei, dass der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen knapp 21 Prozent unter dem von Männern liegt.

Eine weitere Ursache für den Verdienstrückstand sind sehr stabile geschlechtsspezifische Präferenzen bei der Berufswahl, verbunden damit, dass „typisch weibliche“ Berufe, etwa im Pflege- und Gesundheitsbereich, meist schlechter bezahlt werden als technische Berufe, in denen Männer dominieren.

25 Prozent der weiblichen Beschäftigten mit Vollzeitstelle verdienen weniger als 2.000 Euro brutto im Monat, bei den Männern sind es 14 Prozent. Immerhin wurde der Abstand bei den Entgelten in den vergangenen Jahren etwas kleiner, wozu auch der gesetzliche Mindestlohn beigetragen hat.

 

Diese Entwicklung zeigt beispielhaft: Der Rückstand der Frauen wird in wichtigen Bereichen kleiner. Aber Fortschritte bei der Gleichstellung vollziehen sich meist sehr langsam.

WSI-Forscherin PD Dr. Karin Schulze-Buschoff

Noch deutlich gravierender ist die Lücke bei der Absicherung im Alter: Nimmt man gesetzliche Rente, betriebliche und private Alterssicherung zusammen, beziehen Frauen durchschnittlich ein um 53 Prozent niedrigeres Alterseinkommen als Männer. Anfang der 1990er Jahre lag der Gender Pension Gap sogar bei 69 Prozent.

Zu diesen Ergebnissen kommt WSI-Forscherin PD Dr. Karin Schulze Buschoff, die die Studie zusammen mit Dr. Yvonne Lott vom WSI sowie mit Svenja Pfahl und Dietmar Hobler vom Berliner Forschungsinstitut Sowitra erstellt hat.

Schneller voran gehe es, wenn die Politik mit Investitionen und/oder verbindlichen Regulierungen für Dynamik sorge, so die Wissenschaftlerinnen und der Wissenschaftler. Das gelte etwa für die Ganztagesbetreuung von Kindern, wo sich die Quote bei den 3- bis 6-Jährigen zwischen 2007 und 2017 knapp verdoppelte und bei den Kindern unter drei Jahren sogar fast verdreifachte – freilich ohne den noch deutlich höheren Betreuungsbedarf von Eltern bislang abdecken zu können.

Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der 160 größten börsennotierten Unternehmen stieg mit der Einführung einer Geschlechterquote bis 2018 auf gut 30 Prozent, wenn auch Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten im Kontrollgremium sitzen. In nicht mitbestimmten Unternehmen, in denen keine Quote gilt, lag der Anteil bei knapp 20 Prozent. In den Unternehmensvorständen, für die es bislang keine gesetzlichen Regeln gibt, war 2018 nicht einmal jedes zehnte Mitglied weiblich – neun Prozent in mitbestimmten, knapp sechs Prozent in nicht-mitbestimmten Firmen (das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung rechnet auf etwas anderer Datenbasis mit 10,4 Prozent weiblichen Vorstandsmitgliedern 2019).

Besser sieht es nach der WSI-Analyse auf der zweiten Führungsebene aus, wo der Frauenanteil mit 40 Prozent nur wenig niedriger war als der Anteil an allen Beschäftigten (44 Prozent). Ganz ähnlich fiel die Relation von weiblichen Betriebsratsmitgliedern und Belegschaftsanteil aus.

Verpflichtende Vorgaben für Geschlechteranteile in Vorständen sind nach Analyse der Forscherinnen und des Forschers ebenso notwendig wie ein erweiterter Geltungsbereich der Geschlechterquote in Aufsichtsräten, die bislang nur greift, wenn Unternehmen börsennotiert und zugleich paritätisch mitbestimmt sind.

Um die Gleichstellung von Frauen und Männern auf breiter Linie wirksam zu fördern, empfehlen sie darüber hinaus unter anderem:

  • stärkere Anreize für Männer, Sorgearbeit zu übernehmen, etwa durch eine schrittweise Erweiterung der Partnermonate im Elterngeld auf sechs Monate;
  • mehr Möglichkeiten für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene geschlechteruntypische Berufe/Berufsfelder kennenzulernen;
  • eine finanzielle Aufwertung von frauendominierten Berufen im Sozial-, Erziehungs- und Gesundheitsbereich, um diese für beide Geschlechter attraktiver zu machen;
  • die Schaffung von Arbeitsplätzen in kurzer Vollzeit und Abkehr von der Vollzeit- bzw. Überstundenkultur. Voraussetzung dafür seien unter anderem eine ausreichende Personalbemessung, verbindliche Vertretungsregelungen und Beförderungskriterien, die sich nicht an der Präsenz am Arbeitsplatz bzw. Überstunden orientieren;
  • den weiteren Ausbau der institutionellen Betreuung von Kleinkindern.

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