Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro je Stunde zum 01. Oktober 2022 ist auf den Weg gebracht. So weit, so gut, die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns ist überfällig.
In dem sogenannten Artikelgesetz steckt allerdings noch ein ordentlicher Wermutstropfen: Es sieht zugleich vor, die Grenzen, bis zu denen die sogenannten Minijobs frei von Sozialabgaben sind, an die "Dynamisierung des Mindestlohns" zu koppeln. Im Klartext heißt das: Steigt der Mindestlohn, wird automatisch auch die Grenze ausgeweitet, bis zu der eine Arbeit von Sozialabgaben befreit ist.
Eine Ausweitung der Minijobs ist das falsche Signal im Kampf gegen Fachkräftemangel und prekäre Beschäftigung. Für die betroffenen Beschäftigten bedeuten Minijobs Altersarmut und fehlende soziale Absicherung.
Vor diesem Hintergrund begrüßen wir einerseits die Anhebung des Mindestlohns, werfen der Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP aber gleichzeitig vor, dass die Ausweitung der Minijobs fatal und unbedingt abzulehnen ist!
Um unsere Forderung zu unterstreichen, rufen wir zum Protest gegen die Pläne der Ampelkoalition auf und bitten euch, diesen Protestaufruf zu unterschreiben. Es gibt schon eine Reihe prominenter Erstunterzeichnender, die alle wissen, wie schädlich die Konstruktion der Minijobs vor allem für Frauen ist. Falsche staatliche Anreize wie das Ehegattensplitting wirken sich für die betroffenen Frauen ein Leben lang negativ aus.
"Manche Geschäftsmodelle funktionieren nur, weil Unternehmen nicht sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ihrem Vorteil nutzen. Minijobs verdrängen schon jetzt rund 500.000 reguläre, sozialversicherungspflichte Beschäftigungsverhältnisse. In einem Minijob werden vielfach nicht die zustehenden gesetzlichen und tariflichen Rechte gewährt, etwa Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaub oder eine fachgerechte Eingruppierung.
Das Gesetzesvorhaben der Ampelkoalition zur Anhebung der Minijobgrenze verschärft nun die Probleme, anstatt sie zu lösen. Die geplante Gesetzesänderung verfestigt geringfügig entlohnte und sozial prekäre Beschäftigung und treibt sehenden Auges vor allem Frauen in ungewollte finanzielle Abhängigkeiten und Altersarmut. Das vernichtet reguläre Arbeitsplätze und schadet den Sozialkassen!
In der Wissenschaft besteht große Einigkeit darüber, dass sich die Zementierung geringfügiger Beschäftigung über das Minijob-Modell als Falle erweist, aus der die Beschäftigten nicht mehr rauskommen, weil die vermeintlich 'günstigen' Minijob-Regelungen sie daran hindern, die Arbeitszeit auszuweiten.
Wir fordern daher statt einer Ausweitung dieses Instruments eine Reform, die geringfügiger Beschäftigung soziale Sicherheit und langfristige Stabilität gibt!"
Minijobs sollen nicht als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse missbraucht oder zur Teilzeitfalle insbesondere für Frauen werden. Das steht auch im Koalitionsvertrag. Die im Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) geplante Ausweitung der Geringfügigkeitsgrenze auf 520 Euro bedeutet aber: Es gibt zukünftig noch mehr Minijobs, die den Beschäftigten null soziale Sicherheit bieten.
Der DGB fordert: Die längst überfällige Minjobreform muss endlich angegangen werden!
Minijobs sind im Arbeitsmarkt fest verankert. Damit es sich für Beschäftigte lohnt, mehr Stunden zu arbeiten, spricht sich der DGB für eine volle Übernahme des Sozialversicherungsbeitrags durch den Arbeitgeber ab dem ersten verdienten Euro aus. Die Beschäftigten könnten dann mit steigendem Bruttolohn schrittweise bis zur Parität an der Finanzierung beteiligt werden.
Die Folge wäre eine Abkehr vom Brutto-für-Netto-Prinzip der Minijobs. Da dies für Haushalte mit geringem Einkommen problematisch sein könnte, fordert der DGB, gleichzeitig Geringverdienende steuerlich zu entlasten. Bisher sind die Sozialversicherungsbeiträge zwar bei der Steuer absetzbar. Davon profitieren aber Menschen mit niedrigem Lohn kaum oder gar nicht. Hier könnte ein neu zu berechnender Entlastungsbetrag einen Ausgleich leisten.
Allen Minijobber*innen stehen zwar gesetzlich die gleichen Rechte zu wie den „Normal“-Beschäftigten im jeweiligen Betrieb, aber die Rechte werden oftmals nicht von alleine gewährt. Zum Beispiel bei Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaub. Viele Minijobber*innen trauen sich nicht dagegen vorzugehen aus der Befürchtung, dann den Job zu verlieren. Insbesondere in Unternehmen ohne Betriebsrat ist das ein großes Problem!
Die Menschen, die geringfügig beschäftigt sind, arbeiten genauso hart wie regulär Beschäftigte. Es wird Zeit, ihnen auch die gleiche soziale Absicherung zu geben.
Für Minijober*innen muss ausnahmslos z. B. die Rentenversicherungspflicht greifen. Wir erwarten außerdem, dass der volle Sozialversicherungsbeitrag durch die Arbeitgeber*innen übernommen wird. Arbeitnehmer*innen können dann mit steigendem Bruttolohn schrittweise bis zur Parität an der Finanzierung beteiligt werden. Damit ließen sich die Hürden für die Aufnahme versicherungspflichtiger Beschäftigung abbauen und verhindern, dass Minijobs weiterhin zur Teilzeit- und Armutsfalle für Frauen werden.
Der DGB bleibt bei seiner Position, dass die sogenannten Minijobs ab dem ersten Euro voll in die Sozialversicherung einbezogen werden sollen. Die Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze lehnt der DGB ab.
Die komplette Stellungnahme des DGB könnt ihr hier nachlesen:
Wir benötigen eine Minijob-Reform, die speziell die existenzsichernde Erwerbstätigkeit von Frauen fördert!
Die DGB-Frauen wenden sich deshalb an die Abgeordneten der Regierungsreform und fordern einen Gleichstellungs-Check für das geplante Gesetz zur Anhebung der Verdienstgrenze für Minijobs.
Übrigens: Pünktlich, wenn sich das Kabinett mit dem Thema Mindestlohnerhöhung befasst, haben wir ein neues ver.di-Angebot für euch. Ihr könnt uns jetzt nicht nur lesen oder sehen, sondern auch hören!
In der ersten Ausgabe unseres Podcasts „Auf Arbeit“, der ab jetzt regelmäßig erscheint, erzählt uns die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis, wie der gesetzliche Mindestlohn zustande gekommen ist (Spoiler: Der Mindestlohn ist eine ver.di-Erfolgsgeschichte), wer ihn jetzt festlegt und mit welchen Widerständen wir bei unserem Kampf für Arbeit, die zum Leben reicht, auch heute immer wieder konfrontiert sind.
Abonniert den Podcast am besten gleich jetzt: Auf Arbeit. Der ver.di-Podcast
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