Die diesjährige Frauen-Alterssicherungskonferenz, die der Bereich Frauen- und Gleichstellungspolitik in ver.di gemeinsam mit dem Sozialverband Deutschland (SoVD) ausrichtet, fand am 4. Juli 2023 in der ver.di-Bundesverwaltung in Berlin statt.
Die besprochenen Themen der 18. Frauen-Alterssicherungskonferenz reichten von der kritischen Auseinandersetzung mit den Rentenlücken bei Frauen, der Absicherung von Selbstständigen und Fachkräftemangel aus Geschlechterperspektive. Am Ende dieser Dokumentation findet ihr Material zum Download und eine Bildergalerie zur Veranstaltung.
Jutta König, die Bundesfrauensprecherin des SoVD, betonte in ihren Begrüßungsworten die Relevanz der umlagefinanzierten Rente. Das vom Bundesfinanzminister vorgestellte Modell des „Generationenkapitals“ sieht der SoVD kritisch. Es sei zielführender, die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) direkt zu stärken. Im Zentrum aller Überlegungen müsse stehen, das Rentenniveau bei 48 Prozent oder höher zu stabilisieren und gleichzeitig die gesetzliche Rente weiterzuentwickeln, um vor allem Frauen vor Altersarmut und viel zu niedrigen Renten zu schützen.
Laut der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linken steuern fast 40 Prozent der in Vollzeit beschäftigten Frauen auf eine monatliche Rente von unter 1.000 Euro zu. Wem die Dringlichkeit der Lage noch nicht vor Augen stehe, dem empfahl Jutta König ein exemplarisches Rechenbeispiel, das man auf den Seiten des SoVD findet.
Gute Löhne für gute Arbeit sind die Basis für eine auskömmliche Rente. Derzeit ist die Lohnlücke (Gender Pay Gap) und die daraus entstehende Rentenlücke (Gender Pension Gap) zwischen Frauen und Männern immer noch eklatant.
Der Gender Pay Gap liegt derzeit bei 18 Prozent, während der Gender Pension Gap bei 30 Prozent liegt – ohne Hinterbliebenenrente sogar bei 43 Prozent. Bei Betriebsrenten beträgt der Gap sogar 56 Prozent. Jede fünfte Frau ab 65 Jahren gilt als armutsgefährdet.
Karin Schwendler, Leiterin des Bereichs Frauen- und Gleichstellungspolitik in ver.di, führte in das Programm und den Ablauf der Veranstaltung ein und übergab das Wort an den ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke. In seiner Videobotschaft, in der Werneke die Positionen von ver.di zum Thema Alterssicherung von Frauen kurz zusammenfasste, wurde deutlich, wie wichtig das Thema in der Dienstleistungsgewerkschaft ist.
Die Fachkräftesicherung aus der Geschlechterperspektive, ein weiterer Schwerpunkt der Konferenz, ist für den ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke ein sehr wichtiges Thema. Viele Fachkräfte werden vor allem in sogenannten typischen „Frauenberufen“ fehlen. Allein in den Sozial- und Erziehungsdiensten fehlen 173.000 Fachkräfte. ver.di setzt sich seit Jahren für eine Aufwertung dieser frauendominierten Berufsgruppen ein. Entlohnung und Arbeitsbedingungen müssten überall und insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Erziehung und Soziales verbessert werden, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.
In ihrem Vortrag (unten mehr) nannte Stefanie Nutzenberger aus dem ver.di-Bundessvorstand zentrale Punkte für die Gewinnung von weiblichen Fachkräften:
Im Anschluss an die Worte von Frank Werneke übernahm Dr. Judith Kerschbaumer, Leiterin des Bereichs Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik und Expertin für Alterssicherungspolitik, die Moderation der Vorträge.
Leonie Gebers, Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, stellte die Initiativen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Fachkräftesicherung vor. Sie begann ihren Vortrag mit der Feststellung, dass wir globalen Herausforderungen nur mit einem starken Sozialstaat begegnen könnten, wie die derzeitigen Krisen zeigten. Gerade die Absicherung im Alter sei eines der Versprechen des Sozialstaates. Die Politik dürfe hierbei nicht enttäuschen, andernfalls sei der gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet.
Die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt – es gab in Deutschland noch nie so viele Erwerbstätige wie derzeit – könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass es große Engpässe in immer mehr Branchen gäbe. Laut der Stellenerhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) seien mittlerweile fast alle Branchen vom Fachkräftemangel betroffen. Um den drei großen Herausforderungen Demografie, Dekarbonisierung und Digitalisierung zu begegnen, habe ihr Ministerium eine neue Fachkräftestrategie entwickelt.
Dr. Dina Frommert, Leiterin der Abteilung Forschung und Entwicklung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, präsentierte aktuelle Daten zu den Gender Gaps und zum Grundrentenzuschlag.
Der bei 18 Prozent liegende Gender Pay Gap habe verschiedene Ursachen. Die folgenreichsten: Wegen hoher Anteile unbezahlter Fürsorgearbeit sind Frauen wöchentlich weitaus weniger mit Erwerbarbeit beschäftigt als Männer, die sich wiederum bei unbezahlter fürsorgender Arbeit zurückhalten. Hinzu komme, dass Frauen nach aktuellen Zahlen des sozio-oekonomischen Panels aus den gleichen Gründen weniger Erwerbsjahre als Männer ansammeln.
Einen weiteren interessanten Impulsvortrag übernahm Veronika Mirschel, Leiterin des Bereichs Selbstständige in der ver.di-Bundesverwaltung. Sie verwies zu Beginn auf die aktuellen Zahlen zur Lage selbstständiger Frauen, die etwa ein Drittel der Selbstständigen insgesamt ausmachen. Laut einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) liegt das durchschnittliche Einkommen solo-selbstständiger Frauen etwa 44 Prozent unter dem ihrer männlichen Kollegen.
Die prekäre Lage dieser Gruppe hat in der Pandemie zugenommen. Selbsständige Frauen haben ein hohes Risiko, im Alter in Armut zu rutschen, da sie ihre Rücklagen auflösen müssten und oft aus der gesetzlichen Rentenversicherung herausfallen, betonte Mirschel. Auch wenn die Datenlage in diesem Bereich nicht befriedigend sei, sei bekannt, dass Selbstständige doppelt so oft im Alter Grundsicherung beziehen wie Angestellte.
Stefanie Nutzenberger, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, sprach über die ver.di-Sicht auf den Fachkräftemangel und über die Altersarmut aus der Geschlechterperspektive.
Nutzenberger sagte, das Thema sei seit Jahren eines der wichtigsten frauenpolitischen Themen in der Gewerkschaft, es komme jetzt nach stetiger Arbeit langsam „in anderen Ritzen“ an. Es sei ein Problem, das viele betreffe. Jede zweite Person ist heute älter als 45 Jahre, jede fünfte älter als 65. Dieser Entwicklung, wenn auch schon lange bekannt, wäre nicht frühzeitig durch entsprechende Weichenstellungen begegnet worden.
Heute fehlen an vielen Stellen Nachwuchskräfte, der Fachkräftemangel steigt. Die öffentliche Debatte kreise derzeit um die gezielte Zuwanderung von Fachkräften, die ebenfalls unabdingbar sei. Stefanie Nutzenberger aber warf in ihrem Vortrag einen Blick auf die sogenannten inländischen Fachkräftepotenziale, die längst noch nicht ausgeschöpft seien. Vor allem die Erwerbsbeteiligung von Frauen müsse dringend ausgeweitet werden.
Dr. Michaela Kuhnhenne aus der Abteilung Forschungsförderung, Referat Bildung und Qualifizierung der Hans-Böckler-Stiftung sprach über die Fachkräftessicherung aus der Geschlechterperspektive.
Sie verwies zunächst darauf, dass bei diesem Thema „alles mit allem zusammenhänge“. Allein 2020 verließen 45.000 Menschen Deutschland ihre Schullaufbahn ohne Schulabschluss; es gäbe zudem eine steigende Anzahl derjenigen, die keinen Berufsabschluss haben. Sie erinnerte aber auch an viele Migrant*innen, die hier wegen ihres geduldeten Aufenthaltstatus’ nicht arbeiten und planen können. Viel zu viele hochqualifizierte Zugewanderte arbeiteten zudem unter ihren Möglichkeiten, weil die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen immer noch stocke.
Zum Abschluss der interessanten, diskussionsreichen Veranstaltung stellten ver.di und der SoVD gemeinsam eine Erklärung zu den besprochenen Themen vor. Darin ist knapp formuliert, was noch passieren müsste, um eine eigenständige Existenzsicherung für Frauen im Erwerbsleben, während der Sorgearbeit und im Alter zu ermöglichen.
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